Ein munteres Theaterstück, das das Konzept „Familie“ hochleben lässt

Am Freitag, dem 23. Juni 2023, fand die Premiere von Coline Serreaus französischer Komödie „Hase Hase“ unter freiem Himmel im wunderschönen und schattigen Innenhof des Altbaus des OHG statt. Es folgten zwei Aufführungen an den darauffolgenden beiden Tagen. Das Team der Theater-AG hat sich an einen hochaktuellen Stoff herangetraut und daraus ein wunderbar unterhaltsames und doch ernsthaftes Theatererlebnis gezaubert, das sich durchaus auf Staatstheaterbühnen der Umgebung hätte sehen lassen können.

Mama hier. Mama da. Mama, Mama, Mama. Mütter organisieren, planen und halten den Laden zusammen. Linn Hasselwander überzeugte mit überragender schauspielerischer Leistung als Mama Hase in der Komödie „Hase Hase“. Die künstlerische Leitung der wundervollen Produktion übernahm wie auch in den Jahren zuvor das erfahrene Team aus Elisabeth Stengel, Claudia Schelp und Andreas Schaub.

Zu Beginn ist die Welt der Familie Hase in Ordnung, denn die Tochter ist unter der Haube, der älteste Sohn absolviert bald sein Medizinstudium und Papa Hase geht geduldig seiner Arbeit als Fahrer der Metrobahn nach. Doch nach und nach überschlagen sich die Ereignisse und selbst Mama Hase befürchtet, dass alles aus dem Ruder läuft. Papa Hase wird arbeitslos, das jüngste Familienmitglied Hase Hase (Greta Laux) fliegt vom Gymnasium, die Ehe der versorgt geglaubten Tochter Marie (Leonie Ilschner) scheitert, Lucie (Anouk Wiedemann) sagt auch noch „Nein“ an ihrer eigenen Hochzeit mit Gérard (Emma Hein) und dann gibt Jeannot (Shoveth Ketheeswaran) auch nur vor in Brüssel zu arbeiten und ist stattdessen ein von „den Bullen“ gesuchter Terrorist. Selbst Benedikt Geib als sonst bedächtiger und zurückhaltender Papa Hase verliert am Ende in einem urkomischen Wutausbruch die Contenance. Allmählich suchen die Hases alle wieder in der kleinen Wohnung Unterschlupf und die alte und schwerhörige Nachbarin Frau Duperri, gespielt von Milica Petrovic, leiht der Familie nach und nach Matratzen für die Nesthocker. Auch wenn das Abendessen immer kleiner ausfällt, hält Mama Hase die siebenköpfige Familie zusammen und stellt ihre eigenen Wünsche und Träume zum Wohle ihrer Liebsten hinten an. In einem an das Publikum gerichteten Monolog bittet Linn Hasselwander das Publikum sehr überzeugend darum, sie gedanklich zu beweinen. Denn sie wünscht sich so sehr endlich auch einmal bemuttert zu werden. Wenn Mama Hase ihr Herz dem Publikum ausschüttet, kommen neben all dem Witz auch die leisen Töne an.

In einer aufgewühlten und radikalisierten Welt, in der der Ministerpräsident (Dhairya Widzayana) mitteilt, „dass alles gut geht, es geht alles gut (…)“, muss Familie Hase mitansehen, wie das jüngste Familienmitglied Hase Hase scheinbar durch eine Explosion getötet wird. Eine sehr emotionale Szene folgt, in der die fundamentale Trauer und Wut der Familie sehr überzeugend dargestellt wird. „Dieses Leben ist völlig versaut“, sagt der völlig erledigte Papa irgendwann zu seinem Sohn. Doch dann wird klar, dass der älteste Sohn Bébert, sehr eindrucksvoll von Finnja Haug gespielt, Schuld am Umsturz der politischen Ordnung und am vermeintlichen Tod von Hase Hase ist. In einem Theater im Theater – einer lustigen Theaterprobe der Befreiungsaktion Béberts, der nun im Denunziationsbüro der Streitmacht der Neuen Ordnung gefangen gehalten wird – findet die Komödie ihren letzten Höhepunkt und macht sich dabei auf humoristische Weise als Spiel im Spiel erkenntlich. Die sichtlich mitgenommene Finnja Haug, alias Bébert, wird befreit, die Nachbarin zieht mitsamt ihrem wiedergefundenen Sohn ein, Hase Hase taucht wieder auf und der Hasenbau der Familie Hase platzt wieder aus allen Nähten.

Dieser Hasenbau bildet das Bühnenbild der Produktion, das vor allem von Andreas Schaub und seinem Ensemble liebevoll geplant und gestaltet wurde. Mobiliar wurde in unterschiedlichen Farben angestrichen, ein begehbarer Fernsehapparat wurde installiert, ein alter Sessel und der zentrale Familientisch wurden zur drückend beengten Einzimmerwohnung gebaut. Szenenwechsel wurden immer wieder von französischer Musik von Zaz eingeleitet und unterstrichen die zuweilen auch geheimnisvolle Atmosphäre der Inszenierung. Gerade an der Licht- und Tontechnik, die von Andreas Schaub gekonnt eingesetzt wurde, wurde die lange und aufwendige Probenarbeit des Ensembles ersichtlich. So endete die neunmonatige Bearbeitungszeit in einer langen Intensivprobenphase, in der LehrerInnen und SchülerInnen auch unermüdlich am Wochenende und an Abenden probten.

An Aktualität fehlte es an den drei Aufführungsabenden nie. Wiederholt wurden Bekenntnisse gegen Vorurteile und Diskriminierung unternommen und das friedliche Miteinander betont. Klar weckte Lucies provokantes Anziehen eines schwarzen Kopftuches Assoziationen an gegenwärtige prekäre Diskussionen über Kopftuchverbote oder die Religionsfreiheit. Doch die resolute Mama Hase brachte ihre Tochter zum Abnehmen des Tuchs, indem sie eine ergreifende und unmissverständliche Rede über die Unterdrückung der Frauen hielt.

Die Hases streiten und lieben sich, sie halten zusammen wie Pech und Schwefel und verlieren dabei nie ihren Humor und ihre Lust am Leben. Trotz der kleinen Wohnung, die am Ende einem engen Matratzenlager gleicht, und der Bedrohungen von außen hält Familie Hase zusammen. Gerade weil immer wieder das Leben ausgiebig und dabei auch feuchtfröhlich gefeiert wird und Mama Hase immer an ihre Familie glaubt, ist die Komödie „Hase Hase“ von Coline Serreau ein spritzig-furchtloses Plädoyer für familiären Zusammenhalt und Optimismus.

Schultheaterprojekte auf diesem hohen Niveau machen schon Vorfreude auf zukünftige Aufführungen der Theater-AG des OHG.

Maria Wagner